Andreas Kirchhof, gebürtig aus Roßla am Harz, geht den Dingen im wahrsten Sinne des Wortes auf den Grund. Er ist gelernter Bohr- und Sprenghauer. Während seines Geotechnik-Studiums im sächsischen Freiberg arbeitete er bereits am PC 1715, dem Standardcomputer der DDR, ohne Festplatte mit nur 2 Diskettenlaufwerken. Anfang der 90er Jahre befasste er sich mit der Berechnung von Druckstollensystemen in Sandwichbauweise mit Hilfe der Randelemente-Methode und entwickelte dazu ein Programm. Später leitete er als Geschäftsführer innerhalb eines Architektur- und Ingenieurbüros mit 120 Mitarbeitern die Bereiche Projektentwicklung, Hochbau und Spezialtiefbau. Uns verbinden bereits 12 Jahre intensive Zusammenarbeit sowohl für Latrace und Archiveda® als auch für zahlreiche Kundenprojekte.
Du gehst allen Dingen gern und genau auf den Grund? Woher kommt Deine Begeisterung für Tiefe und Geotechnik?
Das Ein-/Abtauchen in den Berg ist wie das Betreten einer anderen Welt. Vielleicht kann man es wirklich ein wenig mit dem Tauchen vergleichen. Auch hier betritt man eine Welt, die einem als „normaler“ Mensch sonst verschlossen bleibt.
Es gibt im Bergbau einen Spruch, der weltweit gilt: „Hinter der Hacke ist es dunkel“ Die Hacke ist das Werkzeug des Bergarbeiters, mit dem er das Gestein herausschlägt. Er kann nur bis zur Spitze seiner Hacke schauen und weiß nie, was sich dahinter verbirgt. Da er nicht in den Stein hineinschauen kann, muss er auf alles vorbereitet sein.
Es ist anders als an der Erdoberfläche. Dort ist das Haus, in dem der Mensch lebt und arbeitet, genormt und exakt berechnet. Wir wissen, wie schwer der Stein in der Außenmauer des Hauses ist. Wir wissen, wie viel Last wir ihm zumuten können, ohne dass er zerbricht. Ganz anders unter Tage.
Dort müssen wir mit dem „Material“ arbeiten, was uns die Natur vorgegeben hat. Wir haben nur eingeschränkte Möglichkeiten, dieses Material nach unseren Wünschen und Erfordernissen zu verändern. Und damit nicht genug. Wir kennen oft nicht einmal das Material, was uns in den nächsten Minuten, Stunden oder Tagen beim Vortrieb des Hohlraums begegnet.
Deshalb ist es so wichtig, dass man genau beobachtet und alle Mittel und Möglichkeiten nutzt, den Dingen auf den Grund zu gehen – um Rückschlüsse auf das ziehen zu können, was uns als Bergmann möglicherweise hinter der „Hacke“ erwartet.
Worin besteht die Verbindung zwischen Geotechnik und IT und wie kam es dazu, dass Du bereits in den 90er Jahren für das Pumpspeicherwerk Goldisthal mit verantwortlich warst?
Ich habe an der Bergakademie Freiberg Geotechnik studiert. Wie der Zufall es wollte, sollte ich mich in meiner Diplomarbeit mit der Steuerung von Gesteinsprüfmaschinen beschäftigen. Bei diesen Gesteinsprüfmaschinen werden Gesteinsproben Druck- und Zugkräften ausgesetzt. Meine Aufgabe war es, die Sensoren, die sich an den Gesteinsproben befanden, um während des Druck- und Zugversuches bestimmte Parameter zu messen, mit der Steuerung der Gesteinsprüfmaschine software-technisch zu verbinden, um die Gesteinsprüfmaschine in Abhängigkeit vom Zustand der Probe steuern zu können.
Damit war eigentlich mein Weg vorgezeichnet. Es gab zu dieser Zeit so gut wie keine Ingenieure, welche sowohl das Handwerk ihrer Sparte, bei mir Geotechnik, und gleichzeitig etwas von Programmierung verstanden. Zudem gab es kaum Standardsoftware, die über Schreibprogramme, Tabellenkalkulationen und Datenbanken hinausgegangen ist. In der Prioritätenliste der Softwareentwickler standen geotechnische Probleme weit hinten. Selbst wenn man das Problem angehen wollte, herrschte zwischen Geotechnikern und Softwareentwicklern ziemliche Ratlosigkeit, weil keiner den anderen verstand.
Genau diese Lücke konnte ich ausfüllen. Erstaunlicherweise ist es so geblieben, dass ich Lücken schliesse, denn diese Verbindung zwischen IT-Experten und den Anwendern / Nutzern fehlt in vielen Branchen bis zum heutigen Tag.
Dadurch war ich immer dabei, wenn es galt, etwas Neues auszuprobieren. So war es auch beim Projekt „Pumpspeicherwerk Goldisthal“. Bisher hatte man Standsicherheitsbetrachtungen für solche Projekte fast immer nur analytisch durchgeführt. Jetzt waren wir zum ersten Mal in der Lage, mit Hilfe der vorhandenen Computertechnik Standsicherheitsberechnungen mit Hilfe nummerischer Methoden zu entwickeln und durchzuführen.
Wir haben uns viel über Energieregulierung ausgetauscht. Ein Schlüsselmoment für mich war unser Gespräch über die «Versorgungskanäle». Wofür stehen diese im geologischen Zusammenhang?
Um es auf den Punkt zu bringen, möchte ich wieder eine Bergmannsweisheit bemühen: „Der Berg lebt.»
Das, was unter unseren Füßen ist, kann man sich wie einen lebenden Organismus vorstellen. Unabhängig von uns ist auch der Berg ständigen Veränderungen ausgesetzt. Nur wir Menschen bemerken diese Veränderungen kaum, da sie sich aus menschlicher Sicht unendlich langsam vollziehen. Jedes Kind lernt in der Schule, dass wir, übertrieben gesagt, auf einer glühenden Kugel leben. Und jeder weiß, dass es bei Kontakt zwischen warm und kalt immer einen Austausch gibt. Kaltes wird wärmer, Warmes wird kälter (Gesetze der Thermodynamik). Theoretisch könnte Warmes auch wärmer und Kaltes auch kälter werden, das wurde in der Natur aber noch nie beobachtet.
Manchmal können wir die Kräfte der Natur bei Geysiren und Vulkanen etc. sehr eindrucksvoll erfahren. Leider sind diese Großereignisse oft mit Katastrophen verbunden. Aber das Ganze passiert auch im „Kleinen“, verborgen im Berg in einer für uns unvorstellbaren Langsamkeit. Schöne Beispiele dafür sind Mineralien. Aber auch der Erzbergbau profitiert davon, da sich in solchen Gängen / „Kanälen“ Erze anreichern. Der sehr, sehr kleine Exkurs zeigt schon, welche starken Verbindungen zwischen Mensch und Erde auf vielen Ebenen bestehen.
Wie würdest Du den Zusammenhang von Zeit, Druck und Entwicklung im Kontext von Mineralogie, Tunnelbau und Geologie beschreiben?
Zeit bedeutet Veränderung. Gerichteter Druck wird in der Geologie als Stress bezeichnet. Nicht zu vergessen ist dabei die Temperatur. Druck und Temperatur führen in langen Zeiträumen im Berg zu Veränderungen. Wie bereits schon erwähnt, ist die Entstehung von Mineralien die Folge solcher Veränderungsprozesse.
Es gibt aber auch Veränderungen, die wir nicht wollen, z.B. im Tunnelbau. Mineure und Bergarbeiter fügen dem Berg Wunden zu. Und der Berg ist bestrebt mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen (Druck, Temperatur), diese zu schließen. Mineralien sind eine Art Nebenprodukt dieser Wundheilung.
Ein typisches Beispiel für so eine Wundschließung ist ein Wassereinbruch.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie fasziniert die Menschen von diesem „Phänomen“ waren und wie früh man sich mit Erklärungsversuchen zur Entstehung von Mineralien beschäftigte. Die Nutzung von Mineralien lässt sich mindestens 6000 Jahre zurückverfolgen.
Schon Aristoteles (384 bis 322 vor unserer Zeitrechnung) arbeitete an der Beschreibung von Mineralien.
Im 9. Jahrhundert befasste sich der Geheimbund der „lauteren Brüder“ in Basra (heutiger Irak) mit mineralogischen Fragen.
Als ehemaliger Student der Bergakademie Freiberg muss ich natürlich Abraham Gottlob Werner erwähnen, der eine Systematik für die Klassifizierung von Mineralien entwarf und 1774 veröffentlichte.
1. Zur magnetischen Abfolge gehören die Minerale, die auf unterschiedliche Weise aus dem Magma ausgeschieden wurden.
<2. Die sedimentäre Abfolge umfasst alle Minerale, die als Folge der Verwitterung und des Ausfällens aus meist wässrigen Lösungen neu- bzw. umgebildet werden
3. Minerale, die durch die Umwandlung früher gebildeter Minerale auf Grund erhöhter Druck- und Temperaturbedingungen entstanden, zählen zu der betamorphen Abfolge.“
Diese „einfache“ Definition zeigt schon, wie umfassend das Gebiet der Mineralogie ist und wie wichtig die Kenntnisse auch für den Bergbau, die Rohstoffindustrie und den Tunnelbau sind. Wir sprechen ja auch von mineralischen Rohstoffen. Auch Sand ist ein solcher Rohstoff, er besteht aus winzig kleinen Mineralien.
An dieser Stelle möchte ich es dabei belassen. Es gibt noch unendlich viel zu dem Thema zu sagen.
Wer besonderes Interesse an diesem Thema hat, dem empfehle ich das Standardwerk „Lehrbuch der Mineralogie“ von Prof. Dr. Hans Jürgen Rössler.»
Worin besteht für Dich die Zukunft der digitalen Kommunikation?
Für mich bedeutet digitale Kommunikation Überwindung von Grenzen, z. B. Ländergrenzen.
Was schätzt Du besonders an der Zusammenarbeit mit Latrace?
Die Formulierung von klaren Zielen und reflektiertes Vorgehen gestalten für mich die Arbeit mit Latrace einfach, interessant und strukturiert.
Wer sind Deine Vorbilder und was sind Deine Ziele für 2022?
Dass die Dinge, die wir in den letzten zwei Jahren gemeinsam mit Latrace vorbereitet und aufgebaut haben, nunmehr Früchte tragen. Aktuell sind wir dafür bestens im Zeitplan.
Du fragst nach meinen Vorbildern. Davon gibt es einige, aber besonders beeindruckten mich folgende vier Persönlichkeiten:
1.Alexander von Humboldt
2.Otto von Bismarck
3.Steve Jobs
4.Albert Einstein
Auf den ersten Blick sind sie sehr unterschiedlich. Man muss nicht (und ich bin es auch nicht), mit allen Dingen die sie getan oder nicht getan haben, einverstanden sein – aber jeder von ihnen hat über den Tellerrand hinausgeschaut. Alle vier sind auf ihre Weise schon so eine Art Universalgelehrte und liessen sich trotz aller Widerstände nicht von ihren Ideen abbringen, wodurch sie die Entwicklung der Menschheit geprägt haben. Es sind „lebendige“ Personen, die Fehler begingen und sich auch mal irrten.
Was liebst Du an und in Deiner Heimat? (Lieblingsorte, Lieblingsessen, Lieblingsbeschäftigung)
Heimat ist für mich dort, wo ich mich wohl fühle. Mein absoluter Lieblingsort ist das „Al Nawforaa“ Café in der Altstadt von Damaskus, für mich ein fast magischer Ort.
Mein Lieblingsessen kommt aus meinem Geburtsort: Aschkuchen. Das ist kein Kuchen, sieht aber ein bisschen so aus. Am besten lässt es sich als eine Art Auflauf aus Kartoffeln, Eiern, Milch und Weißbrot beschreiben.
Lieblingsbeschäftigung: Alle Arbeiten, die dazu beitragen, dass in der freien Natur etwas wächst und gedeiht, man kann auch sagen: in der Erde buddeln.
Kontakt: Goldland-Agentur